Saturday, March 28, 2020

Pferde geben Sicherheit | Landkreis

Pferde geben Sicherheit | Landkreis:

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Teamarbeit im Pferdestall: Irmgard hält Wallach „Blue“ fest, während Projektleiterin Chantal Mauras die Hufe säubert und Christine sein Fell striegelt. Foto heinz

© OVB

Flintsbach – In einem Pferdestall gibt es immer viel zu tun. Auch wenn es nur ein ganz kleiner mit gerade einmal fünf Pferden ist wie der Offenstall von Patrizia Bier in Flintsbach.

Das tägliche Ausmisten, Füttern und Pferdepflegen haben sie und ihre Stallkollegin Nicole Kumschier so beansprucht, dass kaum noch Zeit für das große Hobby der beiden – das Reiten der Pferde – geblieben ist. Doch seit einigen Wochen haben sie Hilfe gefunden. Jeden Mittwoch arbeiten jetzt zwei junge Frauen auf dem Hof mit und erledigen viele Arbeiten, zu denen Bier und Kumschier einfach nicht kommen. Eine große Entlastung für die zwei Reiterinnen.

Doch auch die Helferinnen profitieren von der Arbeit. Denn beide haben psychische Einschränkungen und sind daher bisher auf dem ersten Arbeitsmarkt gescheitert. Für sie und andere Menschen in ähnlichen Situationen hat der Rosenheimer Träger ambulanter Hilfen, „Anthojo“, Projekte zur beruflichen Wiedereingliederung geschaffen. Die Frauen können sich durch die Arbeit auf dem Pferdehof also nicht nur etwas dazu verdienen, sondern werden durch die Erfahrungen auch persönlich gestärkt.

Wohlfühlen auf dem Hof

„Die Tiere geben mir Sicherheit“, sagt Christine. Sie sitzt auf einer Bank neben der Pferdekoppel, zu ihren Füßen liegt ihr Hund, und über den Zaun streckt eines der Pferde seine Nase. Durch ihre sozialen Ängste konnte die junge Frau in den vergangenen Jahren überhaupt nicht arbeiten. Vor allem neue Situationen und fremde Menschen machen ihr zu schaffen. Doch bei den Pferden und in der ruhigen und überschaubaren Situation auf dem Hof fühlt sie sich wohl. „Hier muss man sie eher ausbremsen, weil sie sich vor lauter Arbeitenwollen sonst zuviel zumuten würde“, sagt Chantal Mauras, die Leiterin der Arbeitsprojekte von Anthojo, über die Helferin schmunzelnd. Sie ist stolz auf ihren Schützling, der sich schon so gut entwickelt habe. „Vor drei Wochen wäre es undenkbar gewesen, dass Christine hier sitzt und mit einer fremden Journalistin spricht“, betont sie. Auf dem Pferdehof aber finde sie einen ausreichend geschützten Rahmen vor, in dem sie sich sicher fühlt.

„Deswegen haben wir diesen kleinen Hof auch ganz bewusst für die Frauen ausgewählt, die unter Angsterkrankungen oder Traumatisierungshintergrund leiden“, erklärt Mauras. Er sei überschaubar, aber dennoch weitläufig, und es gebe jede Menge ganz unterschiedlicher Aufgaben.

Mitarbeiterin Irmgard hat zum Beispiel gerade ausgemistet, jetzt verteilt sie das Heu. Auch das Führen der Pferde auf die Koppel und die Fellpflege gehören zu ihrer Arbeit. Wenn die erledigt ist und noch Zeit bleibt, lernen beide Frauen reiten. Das sei schon eine große Herausforderung, meint Irmgard. „Ich mag Pferde zwar sehr gerne, habe aber auch etwas Angst vor ihnen“, sagt sie. Bei der jungen Frau wurden psychische Erkrankungen wie Depressionen diagnostiziert, und sie befand sich lange in Kliniken und Therapie. Als sie es dann alleine versucht hatte, habe sich der Zustand verschlechtert. „Deswegen bin ich froh, dass ich hier eine Aufgabe gefunden habe, die begleitet wird.“ Sie sehe diese als Übergang, um wieder eine tägliche Routine und Regelmäßigkeit zu erlernen.

„Unser Ziel ist es, Arbeitsplätze zu schaffen und Menschen wieder einzugliedern“, fasst Mauras die Projekte „Inn-Arbeit“ und „Inn-Aktion“ zusammen. Letzteres gilt als Arbeitsprojekt für Menschen mit Arbeitslosengeld-I- und-II-Bezug, das als Sprungbrett in den ersten Arbeitsmarkt dienen soll. Hier kooperiert „Anthojo“ eng mit den Jobcentern und dem beruflichen Fortbildungszentrum der bayerischen Wirtschaft. „Inn-Arbeit“ wurde als Zuverdienstfirma gegründet, die Menschen wie Irmgard oder Christine, die eine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehen, Arbeitsplätze bietet. Auf dem Reithof in Flintsbach geht es speziell für traumatisierte Frauen vor allem darum, das Selbstbewusstsein zu stärken und zu lernen, Verantwortung zu übernehmen sowie Entscheidungen zu treffen. Für die Ergotherapeutin Mauras, die selbst seit 20 Jahren reitet, macht es zur Wiedereingliederung Sinn, einen medizinischen mit einem beruflichen Ansatz zu verbinden. Die Frauen müssten erst wieder lernen, etwas wert zu sein – dann könne auch die gesellschaftliche Teilhabe wieder stattfinden.

„Brutale Erleichterung“

Christine und Irmgard sehen sich auf dem besten Weg. Beide haben großen Spaß bei der Arbeit im Pferdestall. „Es ist schön, an der frischen Luft zu arbeiten und unter Leute zu kommen“, meint Irmgard. Christine erzählt, dass sich mit dem Reitenlernen für sie ein „großer Traum“ erfüllt. Und die Stallbesitzerin Patrizia Bier spricht von einer „brutalen Erleichterung“ durch die zwei Stallhelferinnen. Auch Projektleiterin Mauras ist zufrieden, denn nicht nur das Projekt in Flintsbach ist erfolgreich. Auch die anderen Arbeitsprojekte von „Anthojo“ – man ist in mehreren Pferdeställen tätig und bietet auch verschiedene handwerkliche Dienstleistungen an – werden gut angenommen. „Wir haben so viele Anfragen, dass wir den Zuverdienst-Bereich ausbauen“, erzählt Mauras. Mehr Mitarbeiter auf dem Hof in Flintsbach wird es aber nicht geben. Um das sichere Umfeld zu bewahren, wird das Projekt bewusst klein gehalten.

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