Ein Veranstalter plant einen Online-Wettkampf für Pferde. Kritiker fürchten um Tierschutz und Chancengleichheit.
Noch fällt die Idee unter die Rubrik „Not macht erfinderisch“, aber Volker Wulff ist überzeugt, dass sie gut ist und in Corona-Zeiten den Pferdesportlern ganz neue Perspektiven eröffnet, wie sie ihrer Zwangsisolation entfliehen können. Zusammen mit einem Geschäftspartner hat er ein Konzept für Online-Reitturniere erdacht: Reiter schicken Videos von ihren Ritten, die von einem Richtergremium gewertet und rangiert werden. Das ist die Kurzfassung, das Modell ist nicht neu. Es gibt bereits mehrere Internetplattformen, die solche Videoprüfungen anbieten, meist auf bescheidenem Niveau, aber für viele Reiter, die irgendwo auf dem Lande wohnen, ist dies manchmal die einzige Möglichkeit, sich zu vergleichen und die eigenen Leistungen bewerten zu lassen.
Volker Wulff, Veranstalter einiger der größten internationalen Turniere in Deutschland (Hamburger Derby, Global Champion Tour in Berlin, Munich Indoors), will mehr. Anders als bei vergleichbaren Veranstaltungen soll möglichst alles so sein wie bei einem echten Turnier. Zunächst soll es in Dressur und Springen nur Prüfungen bis zur mittleren Klasse geben, die mit einer Wertnote gerichtet werden. Pferd und Reiter müssen bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) registriert sein, ein reguläres Nenngeld wird fällig. Wulff hofft, dass bei Sponsoreninteresse auch Gewinngelder ausgeschüttet werden können. Wobei er weiß, dass gerade die Mittelständler, die oft ihr lokales Turnier sponsern, gerade andere Sorgen haben.
Der Reiter trägt die vorgeschriebene Turnierkleidung: weiße Reithose, Jackett, festen Helm. Die Dressurvierecke müssen der Norm entsprechen, im Springen wird erst kurz vor der Prüfung der Parcours bekannt gegeben, am Abend zuvor kommen die Informationen, welche Hindernisse zurechtgelegt werden müssen, wie viele Stangen, Gatter, Mauern oder (Gummi)-Wassergräben.
Am Tag danach gibt einen exakt begrenzten Zeitplan, nach dem geritten wird. „Man kann also nicht zehnmal üben und dann die beste Version einschicken“, sagt Wulff. Der Reiter bekommt seinen Code per E-Mail, dann hat er eine kurze Zeit zum Aufbau des Kurses (der ebenfalls gefilmt wird), bis es losgeht. Vorher wird das Pferd identifiziert anhand des Pferdepasses, auch die Zäumung wird per Video kontrolliert. Nach dem Parcours müssen die Gamaschen abgenommen und der Kamera gezeigt werden. Die Höhe der Hindernisse kann digital überprüft werden, auch Pferdekontrollen und Dopingproben sollen stichprobenartig vorgenommen werden. Wulff: „Wir wissen ja immer, wo Reiter und Pferd sich aufhalten.“
Auf diese Weise versucht er, Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sowohl die Internationale Reiterliche Vereinigung (FEI) als auch die deutsche FN stehen der Idee bisher ablehnend gegenüber. „Aus zwei Gründen bin ich noch skeptisch“, sagt FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach, „Tierschutz und Chancengleichheit sind bisher nicht gewährleistet.“ Selbst stichprobenartige Besuche am Ort könnten die Kontrolle durch direkt anwesende Stewards und reguläre Dopingproben nicht ersetzen, Manipulationen seien nicht auszuschließen. Die FEI droht bereits mit Sanktionen für Reiter und Richter. Wer an nicht genehmigten, also „wilden“ Turnieren teilnimmt, kann bis zu sechs Monate gesperrt werden. Die FN ist gemäßigter, sie prüft die juristischen Aspekte des Konzepts. „Dazu brauchen wir aber Zeit“, sagt Lauterbach, „trotz Corona.“
Jetzt, da viele Veranstalter fürchten, in diesem Jahr gar kein Turnier mehr durchführen zu können, will Wulff online mit seinem Angebot des Distanzreitens so schnell wie möglich loslegen; das heißt, sobald die Sportstätten wieder freigegeben sind. Zur Zeit dürfen die Pferde nur so weit bewegt werden, wie es für ihr Wohlergehen erforderlich ist. „Wir wollen den Reitern die Möglichkeit geben, ihren Sport unter Wettkampfbedingungen auszuüben“, sagt er. Mehr als 400 Anfragen habe er schon. Wulff sieht „grenzenlose Chancen“. Zwar will er sich zunächst auf Deutschland beschränken, aber die Idee ist, dass bald ein Reiter in Australien gegen einen im Bayerischen Wald antritt, ohne dass die Pferde teuer um die halbe Welt geflogen werden müssen. Klingt verlockend. Aber auch sehr fern.
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