Ein Bild aus der Zeit vor der Corona-Krise: Pony Sunny, Beeke und Sturmvogel-Pressewartin Alke Rowehl. (fr)
Frau Rowehl, wie schwer ist Ihnen die Absage des Berner Himmelfahrtsturniers denn gefallen?
Alke Rowehl: Wir haben es uns nicht einfach gemacht. Die Entscheidung ist auch nicht über Nacht gefallen. Bereits seit Mitte März wird ein Turnier nach dem anderen abgesagt. Dazu zählt auch das Turnier in Ganderkesee, das in der Woche nach unserer Veranstaltung ausgetragen werden sollte. Deshalb haben wir auch bereits seit längerer Zeit darüber nachgedacht. Nachdem die Bundesregierung in der vergangenen Woche keine Lockerungen für den Turniersport in Aussicht gestellt hatte, haben wir dann auch die Absage beschlossen.
Wie groß fällt der finanzielle Schaden im Hinblick auf den Turnierausfall aus?
Da wir das Turnier in Eigenregie vorbereiten und uns auch selbst um die Aufbauten kümmern, haben wir kaum Vorkosten gehabt. Unser Schaden hält sich also in Grenzen.
Und welcher finanzielle Gewinn entgeht dem Verein?
Reich wird kein Verein mit einem Reitturnier. Wir Vereine sind dabei auf gutes Wetter und die gute Laune der Besucher angewiesen. Nur wenn möglichst viele Gäste drei oder vier Kaffee trinken, machen wir einen Gewinn bei unserem Turnier. Die Leute müssen sich folglich bei uns wohlfühlen.
Wer hatte bisher die meiste Arbeit im Hinblick auf die Turniervorbereitung?
Unsere Schriftwartin Stephanie Oltmanns. Unser Vorstandsmitglied hat sich um die Ausschreibung für das Turnier gekümmert. So etwas muss immer schon am Ende des Jahres vor einem Turnier stehen. So viel Vorlauf braucht eine Veranstaltung einfach immer. Das war jetzt alles vergebens. Richter, Parcoursbauer und Sanitäter waren auch bereits eingeladen.
Werden Sie Ihr Turnier eventuell später im Jahr nachholen?
Das Himmelfahrtsturnier sollte grundsätzlich auch an Himmelfahrt ausgetragen werden. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass wir im Herbst noch eine turnierähnliche Veranstaltung austragen werden. Da müssen wir jetzt aber erst einmal die Entwicklung im Sommer abwarten. Momentan muss der Sport einfach mal hinter den gesamtgesellschaftlichen Interessen anstehen. Wir müssen es hinnehmen, dass der private Spaß erst zum Schluss kommt.
Woraus besteht derzeit hauptsächlich Ihre Arbeit als Pressewartin?
Ohne Corona hätte ich auf die ersten Arbeitsdienste aufmerksam gemacht. Wir hätten zum Beispiel die Grasplätze mähen müssen. Ich hätte auf Facebook für jeden Monat mehrere Termine aufgelistet. Diesmal gibt es aber nur einen einzigen Programmpunkt: Ausreiten.
Ab 4. Mai scheinen in Niedersachsen Lockerungen möglich, die den Reitunterricht betreffen. Was ist in den letzten Wochen im Verein passiert?
Wir konnten und können jetzt nur jeder bei sich zu Hause auf der Weide reiten und uns ins Private zurückziehen. Nur die knapp 20 Mitglieder, die ihre Pferde im Vereinsstall eingestellt haben, dürfen die Anlage unseres Klubs betreten. Diese sprechen sich auch gut untereinander ab, damit sich nur wenige Personen gleichzeitig auf der Anlage aufhalten. Ich selbst war schon seit fünf Wochen nicht mehr in unserer Halle. Das gab es in den letzten 15 Jahren nicht.
Haben Sie persönlich denn die Möglichkeit, daheim zu reiten?
Ja, meine Eltern haben einen Sandplatz. Hin und wieder nutze ich diesen mit unserer Familienstute Suse. Hauptsächlich wird sie aber von meiner Schwester Eske geritten. Sie ist 17 Jahre alt und hätte ebenso wie ihre gleichaltrigen Freundinnen so gerne an Turnieren teilgenommen. Ich selbst habe dagegen nicht mehr so viel Zeit dazu und reite auch nur noch wenig.
Glauben Sie, dass in diesem Jahr noch Reitturniere stattfinden werden?
Ja, das glaube ich. Für die Profis gibt es sogar Gedankenexperimente, Online-Turniere abzuhalten. Dabei würden die Reiter auf ihren heimischen Anlagen einen vergleichbaren Parcours aufbauen, ihren Ritt aufnehmen und dann ins Netz stellen. Das ist aber nicht meine Welt. Ich bin schließlich ansonsten nicht vier Tage in der Woche mit einem Pferdetransporter oder einem Flugzeug unterwegs, um irgendwo auf der Welt anzutreten. Ich habe das Glück, kein Geld mit dem Reiten verdienen zu müssen.
Mit der Familie Sosath haben Sie Profis im Verein. Worunter leiden diese Profis denn jetzt besonders?
Für die Sosaths und andere Profis geht es darum, die Pferde zu präsentieren, um eine Wertsteigerung zu erzielen. Das abgesagte Turnier bei den Sosaths hätte für uns den Auftakt der grünen Saison dargestellt. Die Familie Sosath muss sich nun damit auseinandersetzen, Pferde anders zu zeigen.
Könnten Sie sich vorstellen, ein Turnier zu veranstalten, bei dem die Zuschauerzahl begrenzt wird?
Grundsätzlich wäre dies sicherlich möglich. Bei einer Open-Air-Veranstaltung könnten wir auch die nötigen Abstände herstellen. Wir könnten den Zuschauern Marken in die Hand drücken und dann bei Erreichen einer bestimmten Zahl niemanden mehr auf die Anlage lassen. Nur würde sich ein solches Turnier finanziell nicht rechnen.
Was leidet sonst gerade im Pferdesport unter der Corona-Pandemie?
Die Turniere stehen schon sehr im Blickpunkt. Dabei gerät ein bisschen in den Hintergrund, dass der Unterricht derzeit ausfällt. Auf unserer Anlage findet ansonsten ein tägliches Training in der Dressur und im Springen über viele Stunden statt. Pferde und Reiter können sich also derzeit nicht weiterentwickeln. So etwas gab es noch nie.
Sind Sie auch beruflich von der Corona-Krise betroffen?
Die Tagesförderstätte, in der ich arbeite, ist zwar geschlossen. Doch ich arbeite dennoch in vollem Umfang weiter, weil ich eine Wohngemeinschaft betreue. Meine Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen wird als systemrelevant eingestuft.
Verlernen die Sportler aus Ihrer Sicht gerade das Reiten?
Nein. Zwar vergessen Kinder viel. Doch sie sind es auch, die dann hinterher wieder am schnellsten lernen. Es wird keiner etwas verlernen. Mir tun nur die vielen Nachwuchsreiter leid, die über den Winter viel trainiert haben, um sich und ihre Fortschritte bei den Turnieren zu präsentieren. Der Vorteil bei der Pandemie ist, dass es alle Reiter auf der Welt betrifft. So haben zum Beispiel nach der Pause Reiter aus Süddeutschland oder aus anderen Regionen keinen Vorteil gegenüber den Sportlern aus dem Norden.
Wagen Sie schon mal einen Ausblick auf die Saison im nächsten Jahr?
Es bringt einfach nichts, so weit vorauszuschauen. Wir machen es uns jetzt erst mal mit viel Ausreiten im Sommer schön. Alles andere ist nur Rätselraten.
Das Interview führte Karsten Hollmann.
Zur Person
Alke Rowehl (24)
ist bereits seit sechs Jahren Pressewartin beim Stedinger RFV Sturmvogel Berne. Die gelernte Ergotherapeutin arbeitet in einer Tagesförderstätte für Menschen mit Beeinträchtigungen. Die Springreiterin wohnt in Berne und teilt sich ein Pferd mit ihrer jüngeren Schwester Eske. In der vergangenen Woche sagten die „Sturmvögel“ ihr traditionsreiches Himmelfahrtsturnier als Folge der Corona-Pandemie ab.
Weitere Informationen
Alke Rowehl (24) ist bereits seit sechs Jahren Pressewartin beim Stedinger RFV Sturmvogel Berne. Die gelernte Ergotherapeutin arbeitet in einer Tagesförderstätte für Menschen mit Beeinträchtigungen. Die Springreiterin wohnt in Berne und teilt sich ein Pferd mit ihrer jüngeren Schwester Eske. In der vergangenen Woche sagten die „Sturmvögel“ ihr traditionsreiches Himmelfahrtsturnier in Folge der Corona-Pandemie ab. KH
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